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Sollten die Kurden einen eigenen Staat bekommen?  Ja

Anhänger von PKK-Chef Abdullah Öcalan

 

Hunderttausende werden in der Kurdenmetropole Diyarbakir erwartet, aber demonstrieren will man in allen großen Städten, auch in Istanbul. Insgesamt hoffen die Veranstalter auf mehr als eine Million Teilnehmer. Wie wichtig ihnen diese Kundgebung ist, zeigt die generalstabsmäßige Vorbereitung: „Viele reisen aus dem Ausland an, aus Belgien, Deutschland und der Schweiz“, sagte der Bezirksvorsteher der DTP für Diyarbakir, Firat Anli. Er sprach von Aufbruchstimmung: „Die Hoffnung, bald in Frieden leben zu können, die eigene Sprache auch in den Schulen sprechen zu können, ist sehr groß.“

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Sollten die Kurden einen eigenen Staat bekommen? Ja

Wenn sich diese Hoffnung erfüllen sollte, dann wäre ein Problem gelöst, das als unlösbar gilt. Seit Jahrzehnten fürchten die Türken, dass die Kurden die ganze Hand packen würden, wenn man ihnen den kleinen Finger gibt – dass sie einen eigenen Staat oder Teilstaat wollen und kulturelle Selbstbestimmung nur als Fuß in der Tür betrachten, als ersten Schritt, dem weitere Forderungen folgen würden.

Jahrzehntelang wurde das Kurdenproblem tabuisiert. Jetzt schreibt es die islamisch geprägte Regierung ganz groß auf ihre Fahnen. Auch die PKK und die DTP sehen einen historischen Augenblick gekommen. Denn teilweise decken sich die Interessen der Regierungspartei AKP und der Kurden – Muslime wie Kurden sehen das säkulare, nationale Militär als großen Gegner, der ihre Entfaltung bremst. Mittlerweile ist die AKP nach acht Jahren an der Macht stark genug, hat genügend Schalthebel besetzt, um den letzten großen Schritt zu wagen: eine neue Verfassung, die das Militär seiner politischen Privilegien beraubt. Dafür braucht man Unterstützung im Volk, die Kurden bieten sich als Verbündete an – und wenn Frieden möglich wird, verliert das Militär seinen besten Grund, warum es eine politische Rolle spielen soll.

Alle Seiten sprechen daher von großen Plänen zur Kurdenfrage, nur die Details fehlen. Was soll tatsächlich passieren? Vielleicht ist es am besten, zuerst zu sehen, was derzeit konkret geschieht. Beispielsweise hat die Polizei Notrufnummern eingerichtet, unter denen man kurdisch sprechende Beamte erreicht. Das könnte illegal sein – laut Verfassung ist die Amtsprache Türkisch, weshalb es auch keinen muttersprachlichen Unterricht an staatlichen Schulen geben kann. Und so wird, während überall von Lösungen die Rede ist, derzeit gegen ein zehnjähriges Mädchen ermittelt, das anderen Kindern in der Wohnung ihrer Eltern kurdische Märchen vorlas.

Eine neue Verfassung ist Voraussetzung für die Mindestforderung, ohne die keine Lösung möglich ist: Die kurdische Sprache muss entkriminalisiert werden. Zwei andere Voraussetzungen stimmen pessimistisch: die Bereitschaft der Kurden, auf Eigenstaatlichkeit zu verzichten, und die Bereitschaft des Militärs mitzuspielen. Beides scheint fraglich. Der Generalstab gab kürzlich seine „roten Linien“ bekannt: ein Staat, eine Regierung. eine Sprache. Der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan hat einen großen Plan verfasst, 160 Seiten, die aber nur veröffentlicht werden können, wenn die Regierung es erlaubt. Seinen Anwälten teilte er Eckpunkte mit: ein Kurdenparlament und eine kurdische, bewaffnete Polizeikraft.

Die gibt es schon. Es sind regierungstreue „Dorfwächter“, die Öcalan aber nicht gefallen. Er will eine „vom Volk gewählte“ Polizei, also eine Truppe, in der seine PKK-Kämpfer aufgefangen werden können. Die Regierung wird darauf nicht eingehen. Was sie machen will und kann, muss sich erst zeigen. Hoffnung gab es schon vor fünf Jahren, zu Beginn der EU-Reformen in der Türkei. Sie wich Pessimismus, als der Krieg mit der PKK neu aufflammte.